Bereitgestellt: 01.02.2025
Von Hühnern und Menschen
«Das ist halt so, die haben ihre Hackordnung»
Das war meine Antwort, als mich ein Kind fragte, weshalb das eine Huhn von anderen Hühnern gepickt und durch das Gehege gejagt werde. Die empörte Antwort des Kindes, das sei doch gemein, tat ich mit einem Schulterzucken ab und meinte, das liege in der Natur.
Dieses kurze Gespräch in unserer Küche mit Sicht auf das Hühner-Gehege kam mir kurze Zeit später wieder in den Sinn: Im Gespräch mit einer Jugendlichen über ihr Klassen-Gefüge, dachte ich an den kurzen Wortwechsel. Das Picken und Herumjagen geschieht unter uns Menschen perfider: Mit schrägen Blicken, Getuschel, blöden Sprüchen, gemeinen Kommentaren in den sozialen Medien, mit Ignorieren oder Blossstellen – das Repertoire ist um einiges grösser als im Hühnergehege. Letztlich geht es aber auch um eine Art Hackordnung. Und wenn wir ehrlich sind, so ganz entziehen können wir uns diesem Thema nicht, auch wenn die Schulzeit lange hinter uns liegt.
Gesprochen wird über dieses Thema kaum. Das war auch schon vor 2000 Jahren so. Als Jesus die Jünger fragte, worüber sie unterwegs gesprochen hatten, schwiegen diese verlegen, so steht es in Markus 8,34. Sie hatten nämlich darüber gesprochen, wer von ihnen der Wichtigste sei. Jesus rief sie zusammen und sagte: »Wer der Erste sein will, der soll sich allen unterordnen und ihnen dienen.«
Jesus schlägt eine umgekehrte Ordnung vor. Als Veranschaulichung ruft er auch noch ein Kind herbei und sagt den verdutzten Jüngern, dass «wer sich selbst erniedrigt und wird wie dieses Kind, der ist der Größte im Himmelreich».
Die Provokation sitzt. Und ebenso schnell regt sich Widerspruch in mir, wenn ich diese Worte von Jesus lese: Soll ich mich picken und herumjagen lassen wie ein Huhn? Ein bisschen Selbstbewusstsein und Ehrgeiz hat doch noch nie geschadet, oder?
Ich denke, dass der Satz von Jesus sofort Widerspruch erregt, zeigt, dass er einen Punkt trifft. Jesus reagiert nicht auf eine Mobbing-Geschichte, sondern auf eine Diskussion über die Hackordnung unter seinen Jüngern. Ich denke nicht, dass Jesus damit meint, alle sollten liebe und brave Mauerblümchen sein, sich nicht wehren und demütig alles über sich ergehen lassen. Ich denke, Jesus meint eine befreite Haltung: Ausleben, was in mir steckt ohne mich beweisen und durchsetzen zu müssen – zum Wohl von anderen und auch von mir selbst. In Gottes Reich zählt nicht, wer am besten die Ellenbogen ausfahren kann, wer der klügste Kopf, die schlagfertigste Antwort, der grösste Reichtum, die meisten Follower und Likes hat. Wer hingegen seine Zeit, Liebe, Leidenschaft, Talent, Geld, Kreativität, Kraft nutzt und verschenkt, hilft mit bei der Revolution der Hackordnung – man sagt dem auch «Reich Gottes».
Pfrn. Rahel Hofer
Das war meine Antwort, als mich ein Kind fragte, weshalb das eine Huhn von anderen Hühnern gepickt und durch das Gehege gejagt werde. Die empörte Antwort des Kindes, das sei doch gemein, tat ich mit einem Schulterzucken ab und meinte, das liege in der Natur.
Dieses kurze Gespräch in unserer Küche mit Sicht auf das Hühner-Gehege kam mir kurze Zeit später wieder in den Sinn: Im Gespräch mit einer Jugendlichen über ihr Klassen-Gefüge, dachte ich an den kurzen Wortwechsel. Das Picken und Herumjagen geschieht unter uns Menschen perfider: Mit schrägen Blicken, Getuschel, blöden Sprüchen, gemeinen Kommentaren in den sozialen Medien, mit Ignorieren oder Blossstellen – das Repertoire ist um einiges grösser als im Hühnergehege. Letztlich geht es aber auch um eine Art Hackordnung. Und wenn wir ehrlich sind, so ganz entziehen können wir uns diesem Thema nicht, auch wenn die Schulzeit lange hinter uns liegt.
Gesprochen wird über dieses Thema kaum. Das war auch schon vor 2000 Jahren so. Als Jesus die Jünger fragte, worüber sie unterwegs gesprochen hatten, schwiegen diese verlegen, so steht es in Markus 8,34. Sie hatten nämlich darüber gesprochen, wer von ihnen der Wichtigste sei. Jesus rief sie zusammen und sagte: »Wer der Erste sein will, der soll sich allen unterordnen und ihnen dienen.«
Jesus schlägt eine umgekehrte Ordnung vor. Als Veranschaulichung ruft er auch noch ein Kind herbei und sagt den verdutzten Jüngern, dass «wer sich selbst erniedrigt und wird wie dieses Kind, der ist der Größte im Himmelreich».
Die Provokation sitzt. Und ebenso schnell regt sich Widerspruch in mir, wenn ich diese Worte von Jesus lese: Soll ich mich picken und herumjagen lassen wie ein Huhn? Ein bisschen Selbstbewusstsein und Ehrgeiz hat doch noch nie geschadet, oder?
Ich denke, dass der Satz von Jesus sofort Widerspruch erregt, zeigt, dass er einen Punkt trifft. Jesus reagiert nicht auf eine Mobbing-Geschichte, sondern auf eine Diskussion über die Hackordnung unter seinen Jüngern. Ich denke nicht, dass Jesus damit meint, alle sollten liebe und brave Mauerblümchen sein, sich nicht wehren und demütig alles über sich ergehen lassen. Ich denke, Jesus meint eine befreite Haltung: Ausleben, was in mir steckt ohne mich beweisen und durchsetzen zu müssen – zum Wohl von anderen und auch von mir selbst. In Gottes Reich zählt nicht, wer am besten die Ellenbogen ausfahren kann, wer der klügste Kopf, die schlagfertigste Antwort, der grösste Reichtum, die meisten Follower und Likes hat. Wer hingegen seine Zeit, Liebe, Leidenschaft, Talent, Geld, Kreativität, Kraft nutzt und verschenkt, hilft mit bei der Revolution der Hackordnung – man sagt dem auch «Reich Gottes».
Pfrn. Rahel Hofer