Monatsgedanke Juni 2025

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«Der Monat Juni»
Der Juni lehrt uns etwas über Fülle, aber auch über Vergänglichkeit. Denn in all seiner Pracht trägt er bereits das Wissen in sich, dass der Höhepunkt des Sommers auch der Wendepunkt ist. Nach der Sonnenwende werden die Tage wieder kürzer, unmerklich zunächst, aber unaufhaltsam.

Dieser Monat trägt den Sommer wie ein Geschenk, das er ungeduldig auspacken möchte. In diesen längsten Tagen des Jahres scheint die Zeit selbst innezuhalten, als wolle sie uns mehr Raum geben für all das, was in der Helligkeit gedeiht.

Es ist der Monat der vollen Blüte, in dem sich die Natur nicht mehr zurückhält. Die Rosen öffnen ihre Herzen weit, der Holunder duftet süss an den Wegrändern, und die ersten Kirschen färben sich rot wie kleine Sonnenuntergänge am Baum. Alles scheint zu rufen: «Jetzt! Genau jetzt ist der Moment!»

In den weissen Nächten, die kaum noch Nacht sein wollen, liegt eine besondere Magie. Die Dämmerung zieht sich hin wie ein sanftes Gespräch zwischen Tag und Nacht, bei dem keiner der beiden den ersten Schritt zum Abschied wagen möchte. Diese Helligkeit schenkt uns Grosszügigkeit mit der Zeit – längere Abende im Garten, spontane Spaziergänge, Momente, die sich anfühlen, als könnten sie ewig dauern.

Vielleicht liegt darin seine grösste Weisheit: Dass wahre Schönheit nicht im Festhalten liegt, sondern im bewussten Erleben. Der Juni fordert uns auf, die Sinne zu öffnen – für den Duft der Lindenblüten, für das Summen der Bienen, für die Wärme der Sonne auf der Haut. Er erinnert uns daran, dass Glück oft in den einfachsten Dingen wohnt: in einem kühlen Getränk im Schatten, in barfüssigen Schritten über warme Erde, in Gesprächen, die bis spät in die helle Nacht dauern.

So wird der Juni zum Lehrmeister der Gegenwart. Er zeigt uns, dass das Leben in seiner ganzen Intensität gelebt werden will – nicht aufgespart für später, nicht aufgeschoben auf bessere Zeiten, sondern hier und jetzt, in der Fülle des Augenblicks.

Pfarrer Rolf Klopfenstein