Pfarramtsjubiläum von Pfrn Marianne Lindt

Kassierin des offenen Mittagstischs (Foto: Anita Kreuz-Thoët)
Kassierin des offenen Mittagstischs (Foto: Anita Kreuz-Thoët)
Vor 20 Jahren trat Pfrn Marianne Lindt als erste Frau das Pfarramt in Grossaffoltern an. Der Kirchgemeinderat dankt Marianne Lindt für diese Treue und hat versucht der Jubilarin einige Betrachtungen zu entlocken, welche die Veränderungen im Pfarramt Grossaffoltern in den vergangenen zwei Jahrzehnten aufzeigen.
R. Amsler
Pfrn Marianne Lindt übernahm am 1. Oktober 1988 als erste Frau das Pfarramt von Grossaffoltern als Nachfolgerin von Pfr Johannes Rupp. Sie war lange Zeit im Kanton Bern die erste Frau und Mutter von zwei Kleinkindern, welche als Pfarrerin eine 100-Prozent-Pfarrstelle antrat und dabei für den Haushalt und die Kinderbetreuung auf den Ehepartner als „Hausmann“ zählen konnte. Die von der Pfarrwahl-Kommission vorgeschlagene Kandidatin stiess deshalb bereits bei der Einladung zu einer „Vorstellung“ im damaligen Stephans-Saal auf ein unerwartet grosses Interesse. Bei diesem ersten Kontakt mit der Kirchgemeinde vor der Pfarrwahl stellte sich Marianne Lindt mit dem Thema „Begegnungen“ vor und zeigte die in ihrem Leben prägenden Erlebnisse auf.

Marianne Lindt-Rickli ist in Solothurn in der reformierten Diaspora aufgewachsen. Sie hat bereits als Kind, dann im Lehrerseminar und in der ersten Anstellung als Lehrerin in Luterbach und als Heilpädagogin im Hermesbühlschulhaus (Stadt Solothurn) vielfältige und prägende Begegnungen mit Menschen anderer Konfession gehabt.
In der reformierten Stadtkirche Solothurn stellte sich Marianne Rickli während fünfzehn Jahren in den Dienst der Sonntagsschule. Die Sonntagsschul-Vorbereitung für Laien, die durch ihren „Konfirmations-Pfarrer“ Viktor Hasler gestaltet wurde, war ein Schlüsselerlebnis für ihr Interesse an einer weiterführenden Bildung im Bereich „Religion“, das sie schliesslich ins Pfarramt führte.

Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns mit ihnen! (Ovid)

In einem Gespräch mit Pfrn Lindt wollte ich herausfinden, ob sich denn im Pfarramt Grossaffoltern und seinem Umfeld in den vergangenen zwanzig Jahren aus ihrer Sicht Wesentliches verändert habe. Sinngemäss sagte Marianne Lindt:

1988 bei meinem Amtsantritt in Grossaffoltern wurde das „Langschuljahr“ mit dem Übergang zum Spätsommer-Schulanfang durchgeführt. Das hatte in Grossaffoltern die Verschiebung der Konfirmationen in die Pfingstzeit zur Folge, somit eigentlich in die Zeit des Geburtstags der christlichen Kirche. Ich finde das symbolisch gut, weil die jungen Kirchenmitglieder „mündig“ in die Gemeinde aufgenommen werden. Das Gemeinschaftsbewusstsein ist wichtig für die eigene religiöse Basis, die zwar oft erst einige Jahre nach der Konfirmation wieder zum Tragen kommt.

Die Konfirmation ist heute für die heranwachsende Jugend noch fast die einzige verbliebene Zäsur, die bewusst macht, dass ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Einen eigentlichen „Schulabschluss“ und beruflichen Anfang erleben viele Junge nicht mehr gemeinsam. Darum sollten wir Sorge tragen zu diesem Ereignis.

In den neunziger Jahren stellte Pfr Michael Dähler bei der Unterweisung von jungen Menschen ein Vakuum in der „religiösen Vorbildung“ fest. Folglich wurde in der Kirchenleitung für den Kanton Bern das Projekt KUW (Kirchliche Unterweisung) ausgelöst. Das Auffüllen der Defizite, das durch die Volksschule nicht mehr stattfinden durfte, bzw. durch das Elternhaus aus eigener Kraft nicht möglich war, musste durch die Kirche bzw. durch die Kirchgemeinden mit der früheren Erfassung der Kinder angegangen werden. Ich meine, dass die Pfarrschaft zusammen mit den Katechetinnen in den letzten Jahren im Rahmen der neuen KUW beträchtlich Gegensteuer geben konnten.

Wertvoll ist es, wenn wieder vermehrt - auch ausserhalb der offiziellen KUW -christliche Werte und biblische Inhalte und Geschichten an die Kinder vermittelt werden. Ich denke an die Angebote von KiK (Kinder in der Kirche), Erzählstunden vor Weihnachten, Kinderwochen und besonders die „ privaten Erzählstunden“ der Eltern. Meine Lizentiatsarbeit hatte vor langer Zeit auch mit dieser Thematik zu tun: “Durch erzählen von biblischen Geschichten Angst abbauen“ Ich bin überzeugt, dass mit dem Erzählen auch Mut gemacht werden kann, das Leben zu leben!

Ich meine, dass die „Beliebigkeit“ der 70er Jahre langsam aber stetig durch etwas mehr „Tiefgang“ abgelöst wurde. Die heutigen jungen Eltern - eigentlich Kinder der 68er - sind wieder eher bereit, sich mit den Werten unserer Gesellschaft zu befassen. Die Begegnungen bei den Kinderwochen oder bei den vorweihnachtlichen Erzählstunden sowie die Vorbereitungen von Gottesdiensten mit den jüngsten KUW-Kindern zeigen das das deutlich.

Für die ganze Gemeinde ein nachhaltig prägendes Ereignis war gewiss die Planung, Realisierung und Inbetriebnahme unseres heute unverzichtbaren Kirchgemeindehauses mit seinen vielen Nutzungsmöglichkeiten.

Die Zusammenarbeit unter den Kirchgemeinden - insbesondere mit Schüpfen, Rapperswil-Bangerten und Wengi hat sich in den vergangenen 20 Jahren sehr gut entwickelt. Welche weiteren Verbesserungen durch die Anpassung der kirchlichen Bezirke an die Verwaltungsreform des Kantons wachsen werden, muss ich zeigen. Man kann nicht alles „machen“, man muss es oft auch „werden“ lassen!

Ich meine: Gott loben ist ein „angenehmes Geschäft“!
Beten, singen und stillsein, ein Privileg!


Ich danke Pfrn Marianne Lindt für das aufschlussreiche Gespräch.

Der Kirchgemeinderat und des Mitarbeiterteams gratulieren zum Pfarramtsjubiläum in Grossaffoltern herzlich und wünschen für die verbleibenden Amtsjahre eine erspriessliche Zusammenarbeit zum Wohl der Menschen in und um Grossaffoltern.

Anlässlich der traditionellen KGR-Reise 2008 werden die Jubilarinnen Katharina Beidler und Marianne Lindt - entsprechend ihrem Wunsch - irgendwo im Solothurner Jura gebührend gefeiert.